10.3205/HTA000086L
Geiseler, Jens
Jens
Geiseler
Karg, Ortrud
Ortrud
Karg
Börger, Sandra
Sandra
Börger
Becker, Kurt
Kurt
Becker
Zimolong, Andreas
Andreas
Zimolong
Invasive
Heimbeatmung insbesondere bei neuromuskulären Erkrankungen
DIMDI
2010
Book
kraniomandibuläre Funktionsstörung
instrumentelle Funktionsanalyse
klinische Funktionsanalyse
CMD
Kosten-Effektivität
Zahn
Funktionsanalyse
Kiefer
Kiefergelenk
Gesundheitsökonomie
Kieferorthopädie
Instrumente
Diagnose
Fehlbelastung
Befunderhebung
Mund
zahnmedizinische Versorgung
kraniomandibuläre Störungen
Ökonomie
Zahnheilkunde
Zahnmedizin
Kosten und Kostenanalyse
Kosteneffektivität
610 Medical sciences; Medicine
2010-06-08
2010
de
urn:nbn:de:0183-hta000086L7
application/pdf
Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland; 103; ISSN 1864-9645
Einleitung und Hintergrund
Die invasive Heimbeatmung wird bei Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz (unzureichender Atemfähigkeit) durchgeführt. Die aufwendige und technologielastige Beatmung erfolgt über einen künstlichen Zugang (Trachealkanüle) zur Luftröhre. Genaue Zahlen über die Häufigkeit dieser Form von Beatmung in häuslicher Umgebung liegen nicht vor. Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen machen einen großen Anteil aus.
Forschungsfragen
Zu unterschiedlichen Dimensionen Medizin/Pflege, Ökonomie, Soziales, Ethik und Recht werden spezifische Forschungsfragen formuliert und beantwortet. Medizinische Fragen behandeln neben technischen Aspekten der häuslichen invasiven Beatmung, die Symptomatik bzw. die klinischen Befunde der Patienten sowie die Häufigkeit von Komplikationen. Ökonomische Fragestellungen beziehen sich auf die Zusammensetzung der Kosten und die Unterschiede zu anderen Versorgungsformen bezüglich Kosten und Qualität der Pflege. Fragestellungen zu sozialen Aspekten berücksichtigen die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten und Betreuungspersonen. Zusätzlich werden die mit der Entscheidung zu Heimbeatmung verbundenen ethischen Gesichtspunkte betrachtet. Zuletzt werden rechtliche Aspekte der Finanzierung der invasiven Heimbeatmung erörtert.
Methodik
Auf Basis einer systematischen Literatursuche 2008 in insgesamt 31 relevanten Datenbanken wird die derzeit aktuelle Literatur gesichtet und anhand festgelegter Kriterien ausgewählt. Randomisierte kontrollierte Studien, systematische Reviews und HTA-Berichte (HTA = Health Technology Assessment), klinische Studien mit Patientenzahlen über zehn, gesundheitsökonomische Evaluationen, Primärstudien ggf. mit eigenen Kostenberechnungen und Lebensqualitätsstudien mit Bezug zu den Forschungsfragen führen zum Einschluss in die Analyse.
Ergebnisse und Diskussion
Invasive Beatmung kann die Symptome der Hypoventilation verbessern, wie sich aus der Analyse der Literatur ergibt. Darüber hinaus ist eine Lebensverlängerung wahrscheinlich, jedoch aus ethischen Gründen nicht durch qualitativ hochwertige Studien abgesichert. Komplikationen (z. B. Pneumonie) treten relativ selten auf. Für die Durchführung der Beatmung stehen mobile Heimbeatmungsgeräte zur Verfügung, deren technische Performance leider sehr unterschiedlich ist.
Studien, die die ökonomischen Aspekte der Beatmung im Krankenhaus mit der außerklinischen Beatmung vergleichen, beschreiben Heimbeatmung als kostengünstigere Alternative zur stationären Versorgung auf einer Intensivstation, jedoch als teuerer im Vergleich zur nichtinvasiven (über Maske) Beatmung. Die höheren Aufwendungen entstehen aufgrund des notwendigen Equipments und des hohen Zeitaufwands für die teilweise 24-stündige Pflege der betroffenen Patienten durch hochqualifiziertes Personal. Jedoch bezieht sich keine der Studien auf den deutschen Versorgungskontext. Die ermittelten Kosten sind stark von nationalen Honorarplänen und Arbeitslöhnen der Pflegedienste abhängig, was eine Übertragung kaum zulässt.
Ergebnisse von Lebensqualitätsstudien sind meistens qualitativ. Die Lebensqualität der Patienten unter Beatmung wird von ihnen selbst überwiegend als gut bewertet. Bei den Pflegepersonen von beatmeten Patienten zeigen sich sowohl positive als auch negative Einschätzungen. Im Hinblick auf die ethischen Fragestellungen wurde untersucht, welche Aspekte bei der Beatmungseinleitung berücksichtigt werden müssen.
Rechtlich gesehen ist die Finanzierung der häuslichen Beatmung, v. a. bei invasiver Beatmung mit der Notwendigkeit einer Behandlungspflege, durch das Sozialgesetzbuch (SGB) V geregelt. Die Übernahme der Kosten verteilt sich auf verschiedene Kostenträger, die häufig, u. a. aufgrund des allgemeinen Kostendrucks im Gesundheitswesen, nicht sich selbst, sondern andere in der Pflicht sehen. Deswegen ergibt sich in der Praxis häufig die Notwendigkeit, die Kostenübernahme vor Gericht einzuklagen, um das Grundrecht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts wahrnehmen zu können.
Schlussfolgerung
Positive Effekte der invasiven Heimbeatmung (Gesamtüberleben und Symptomatik) sind aufgrund der analysierten Literatur hochwahrscheinlich, wenn auch nur mit geringer Evidenz belegt. Hier ist durch Aufbau eines Heimbeatmungs-Registers und der Versorgungsforschung die Erhebung valider Daten, zur Verbesserung ambulanter Strukturen, notwendig. Die Erhebung von deutschen Daten ist notwendig, um nationale Versorgungs- und Vergütungskonzepte adäquat darstellen zu können. Eine Differenzierung der Kostenstruktur nach Art der gewählten außerklinischen Versorgung ist aktuell nicht möglich. Literatur bezüglich Unterschiede in der Lebensqualität in Abhängigkeit von der gewählten außerklinischen Versorgungsform (Versorgung in der eigenen Wohnung, in einer betreuten Wohngruppe oder im auf invasive Beatmung spezialisierten Pflegeheim) existiert nicht. Auch hier herrscht weiterer Forschungsbedarf.
Eine frühzeitige und ehrliche Patientenaufklärung ist für eine sogenannte partizipative Entscheidung – die eigenständig durch den Patienten nach eingehender Aufklärung und Beratung getroffen wird – pro bzw. kontra invasive Beatmung notwendig. Neben dem Langzeitüberleben müssen auch Lebensqualität und individuelle, soziale sowie religiöse Aspekte berücksichtigt werden.
Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland; 103; ISSN 1864-9645